Freitag, 24. Oktober 2008

Erfahrung

Die Wahlkampfdiskussionen der beiden Präsidentschaftskandidaten in Amerika haben mich darauf gebracht, mir Gedanken über den Stellenwert von "Erfahrung" zu machen. Senator McCain hat dieses Wort, den Begriff und seinen Wert in den Diskussionen immer für sich in Anspruch genommen, und das hat mich veranlasst einmal einiges nachzuschlagen über den Begriff Erfahrung, die Versuche einer Definition auch aus den verschiedensten Blickwinkeln der Wissenschaft. Und dabei wurde mir sofort klar, diese Art von Erfahrung wird McCain nicht meinen. Sie ist einfach viel zu abstrakt.
Kein Mensch, der in einem normalen Gespräch das Wort "Erfahrung" in den Mund nimmt, denkt an die Interpretationsbreite, vielmehr verwenden wir das Wort meistens nur als die Summe der Erkenntnisse unseres Lebens aus den Erfolgen und Misserfolgen unserer Handlungen. Und vorrangig geht es doch wohl darum sich im normalen Alltag des Berufsumfeldes in einem vertrauten Medium mit einer gewissen Routine zu bewegen. Dabei ist immer noch zu entscheiden, ob nur der als erfahren gelten kann, der mit einem "+" vor seiner Erfahrungssumme bestehen kann, oder auch genauso gut derjenige, der mit einem "-" aus dem Rennen hervorgeht.
Mir ist die Anwendung dieses Wortes ganz besonders in der amerikanischen Präsidentschafts- Kandidatendebatte suspekt. Was mir dabei grosse Sorgen macht, ist die Tatsache, dass ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung positiv auf die Art der Erfahrungen Senator McCains anspricht (ich empfinde das als eine gewisse Bereitschaft der Amerikaner zur Aggression).
Er rühmt sich ein erfahrener Krieger zu sein, der mit Krisensituationen umgehen kann. Krieg wird aber selten mit den Waffen der Diplomatie geführt. Krieg ist der Einsatz des letzten Mittels, des Tötens und Zerstörens, der brutalen Gewalt. Und wenn man den Gegner dann noch mit List und Tücke überrumpelt, dann nennt man das Taktik und Senator McCain rühmt sich im Besitz dieser Art von Taktik zu sein. Wobei ich nicht einsehen will, was Erfahrungen aus Kampfsituationen, ganz besonders zurzeit einer weltweiten Finanzkrise, bringen sollen.
An dieser Stelle frage ich mich, was ich eigentlich vom Präsidenten eines Landes erwarte. Ich bin mir sehr wohl im klaren darüber, dass meine Erwartungen wirklichkeitsfremd erscheinen, wenn man in Betracht zieht, welche Persönlichkeiten wir heute tatsächlich in den Führungsetagen vorfinden. Ich meine aber man sollte die Anforderungen so hoch wie möglich stellen.
Logisch, ein bisschen Intelligenz soll er schon mitbringen, eine breite Palette Allgemeinwissen. Was ich aber für ganz besonders wichtig halte, ist Menschenkenntnis und die kluge psychologische Umsetzung seiner Menschenkenntnisse. Er kann unmöglich alles wissen was zur Führung eines Staates in seiner Komplexität nötig ist und braucht also Berater die klug und kenntnisreich loyal zu ihm stehen. Da ist ganz besonders seine Menschenkenntnis gefragt, die Speichellecker erkennen, die Postenjäger, die meinungslosen, unkritischen Jasager, die Lobbyisten.
Es ist nicht einfach in der heutigen Zeit in der oberen Postenliga Idealisten mit Rückgrat zu finden, die kenntnisreich zu ihrer Meinung stehen.
Der Präsident eines Landes, oder die Präsidentin, sollten zuhören können und in der Lage sein aus dem ihnen vermittelten Wissen und den Kenntnissen Anderer eine abgewogene Schlussfolgerung zu ziehen. Wer zuzuhören versteht, nicht mit zu vielen Erfahrungen vorbelastet ist, dem fällt es leichter neue Erkenntnisse zu akzeptieren, als jemandem der seine Erfahrungen, auf welchem Gebiet sie auch immer gewesen sein mögen, allem voran setzt, und sich weigert neue Erkenntnisse seinen Erfahrungen gegenüberzustellen und mit einzubeziehen. Wann immer es einem Land gelingt, einen so gearteten Führer an der Spitze zu haben, kann es sich glücklich schätzen und dann wünsche ich ihm nur noch eins; dass er ausgerüstet mit diesen Fähigkeiten allen Versuchungen widersteht und sich am Ende nicht durch die ihm gegebene Macht korrumpieren lässt.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Rentnerfreuden

Es ist Herbst, die Zugvögel fliegen in den Süden in wärmere Gefilde, die Natur beginnt sich zur Ruhe zu legen, nicht so die Rentner, sie werden mit günstigen Sonderangeboten in die Ferne gelockt und folgen den Zugvögeln, weg vom drohenden Winter. Manche brechen sogar auf und ziehen auf die andere Seite des Globus in den dort anbrechenden neuen Frühling. Und wenn dann das neue Jahr auf unserem Kontinent anbricht, dann kehren sie zurück in einen erwachenden Frühling. Aber so viele Frühlinge verkraftet ein alter Mensch nicht so einfach, er wird Frühjahrs-müde.
Wenn es nun so ist, dass wir sowieso sterben müssen und dass wir überhaupt keinen Einfluss darauf haben, wann das sein wird, dann lasst uns doch in der Zwischenzeit den Rest unserer Tage genießen.
Ja und dann genießen wir. Unsere Vorfahren hatten noch ein starkes Verantwortungsgefühl und waren bestrebt, den nach ihnen kommenden Generationen etwas zu hinterlassen. Wir sind da weitaus egoistischer. Wir sagen uns: Sie sind gesund und kräftig, die können unter den gegebenen Umständen durchaus für sich selber sorgen. Sie geben uns ständig zu verstehen dass sie groß sind, dass sie Verstand haben, dass sie alle Probleme selber lösen können, dass sie unsere schlauen Ratschläge nicht benötigen. Das macht uns trotzig und wir meinen dann, nun denn, sollen sie sehen wie sie ihr Leben meistern.
Die enge Bindung zwischen Eltern und Kindern bricht mit zunehmendem Alter immer weiter auf. Die Eltern fühlen sich nicht mehr verantwortlich für die Kinder, aber die Kinder fühlen sich auch nicht verantwortlich für die Eltern. Die Eltern haben nicht mehr automatisch einen Rückhalt bei den Kindern; sie wissen genau, wenn sie hilflos werden müssen sie auf die Hilfe des Staates und die eigenen Möglichkeiten zurückgreifen und das bringt sie eben zu der Einstellung, dass, was sie an Mitteln haben dafür einzusetzen, so viel vom Alter wie nur irgend möglich auszuschöpfen.
Und so reisen sie in Länder, die für unsere Vorfahren oft nur mystische Traumländer waren. Sie reisen in die Türkei, sie reisen nach Italien, sie reisen nach Griechenland nach Ägypten nach Amerika nach China und Japan. Sie haben am Ende ihres Lebens oft mehr gesehen, als je eine Generation vor uns.
Aber was haben Sie eigentlich gesehen? Sie haben doch nur einen kleinen Ausflug auf unserem Planeten machen können. Zugegeben es lohnt sich schon, es gibt wirklich viel zu sehen und zu bewundern, aber was bringt uns das? Was machen wir denn in den fremden Ländern? Wir lassen uns herausragende Denkmäler, Kirchen, Museen zeigen. Wir amüsieren, bewundern, begeistern uns über die Art, wie sich die Einheimischen ernähren, nehmen davon vieles mit nach Haus. Wir sehen ihr Leben, ihrer Armut, ihre Leiden vor uns ablaufen wie ein Theaterstück. Wir haben kein schlechtes Gewissen. Wir haben ja Eintritt bezahlt. Irgendwer profitiert davon. Wir sind die berühmten Touristenschwärme, die man melkt, ausquetscht und mit leeren Taschen nachhause schickt aber selten versteht.
Woran liegt das? Weil wir sehen und nicht begreifen und verstehen. Wir haben ja gar keine Zeit, uns in das Leben der fremden Länder hinein zu denken, in die wir reisen. Gebäude, die Städte, die historischen Stätten, sie alle wurden gebaut von den Bewohnern, Menschen dieser Länder. Nur ganz selten verstehen wir ihre Sprache, können uns mit ihnen nicht unterhalten, also werden wir sie auch nicht verstehen. Und doch kommen wir nachhause mit dem Gefühl etwas Großes erlebt zu haben, berichten unseren Freunden was wir gesehen haben. Sie beneiden uns, uns die Weltenbummler.
Dabei sind wir doch nur arme Sammler. Was uns von unseren Weltreisen bleibt ist eine Unmenge von Diapositiven, die bei denen heute uns zugänglichen Bildern aus aller Welt keiner mehr sehen will. Für die Zuschauer ist es langweilig, denn sie bekommen das Parlament, das Haus des Ministers, den Vatikan, den Eiffelturm und und und und zu sehen. Damit können sie nichts anfangen.
Warum tun wir uns das an? Es ist die Rastlosigkeit, die uns treibt, der ständige Termindruck unter dem wir stehen, hinter dem oft unausgesprochen die bange Frage steht, wer weiß, wie lange wir das noch können. Es ist die Angst vor der Langeweile. Zuhause sitzen, die Wände anstarren und draußen pulsiert das Leben, lockt verführerisch. Wir haben Angst etwas zu versäumen. Es ist die ständige Neugier auf etwas, das wir verstehen wollen aber selten begreifen können, darum machen wir eben ein Foto, schon als Beweis das wir waren da. Aber das Foto reicht nicht, es ist nur Beweis, wenn wir sehen, dass vor jedem Gebäude die liebe Gerda sitzt, steht, lacht oder einem armen Bettler eine Münze spendiert. Auf die Art und Weise wird auch noch Wohltätigkeit dokumentiert.
Auch das reicht uns aber nicht immer, wir sammeln fleißig weitere Beweisstücke; eine Vase mit dem Abbild des Papstes, ein geschnitzter Elefant von der Elfenbeinküste, einen Poncho aus Südamerika und was dergleichen überflüssiges dann später alles in den Regalen verstaubt. Aber diese Beweisstücke sind ja lediglich auch nur im Zusammenhang mit den entsprechenden Fotografien beweiskräftig. Vieles davon kann man heute schon auf allen Flohmärkten kaufen.
Das bringt mich schließlich zu der Frage: Warum nicht gleich auf den Flohmarkt gehen? Gleich ein paar Bücher aus fremden Ländern mitbringen, zuhause bleiben, den Poncho überwerfen und es sich hinterm warmen Ofen gemütlich machen, wenn es draußen schneit.
Wie wäre das, und im nächsten Jahr gut informiert in den Urlaub fahren?

Freitag, 17. Oktober 2008

Wachstum

Wachstum


Was uns im Augenblick zugemutet wird, ist tatsächlich starker Tobak. Wir saßen nichts ahnend in unseren Lehnstühlen, tranken einen Kaffee und aßen dazu ein Stückchen Kuchen, da wurden wir aufgeschreckt mit Vokabeln wie: Bankenkrise, Weltwirtschaftskrise und Bankenkollaps.
Da habe ich nun jahrelang meine paar Kröten zur Bank getragen um mich damit für das Alter abzusichern, wohl bemerkt zu einer Bank, bei der die Frage nach der Sicherheit eine Beleidigung wäre, und nun muss ich mich plötzlich fragen, ist mein Geld auch noch sicher? Gut, die Kanzlerin beruhigt mich, sie will dafür geradestehen. Und doch, wenn die kritisch Denkenden, die ewigen Bedenkenträger (von denen wir in Deutschland reichlich haben) dann nachfragen, muss wieder relativiert werden und man spricht vom eventuellen Fall des größten Gaus, dann allerdings!?
Ich bleibe cool, lasse mein Geld wo es ist, will vernünftig sein, die Panik nicht anheizen. Und doch, obwohl die Politiker Unterstützung, Bürgschaftskredite anbieten, die Börsianer haben kein Vertrauen und ich werde den stillen Verdacht nicht los, dass sie auch jetzt noch mit fallenden Kursen zocken.
Aber wer will das schon beweisen. Vor einigen Tagen kam es zu konkreten Beschlüssen der Europäischen Politiker, worauf sich die Börse ein wenig beruhigt, es geht vorsichtig aufwärts, ein Hoffnungsschimmer am Horizont und in diesem Augenblick kommt, wie der Deus ex Machina, ein weiser alter Mann mit sorgenvollem Gesicht und erklärt, es ist aus mit dem Wachstum. Es ist aus, keine Hoffnung, wir haben keine Chance aus dem Schlamassel herauszukommen; kein Wachstum.
Und da werde ich als kleiner Bürger zum ersten Mal böse. Wer zum Teufel hat diesen Blödsinn aufgebracht, dass wir permanent Wachstum haben müssen. Ist ständiges Wachstum nicht am Ende ein Schneeballsystem? Ist es nicht eine Bankrotterklärung, wenn wir voraussetzen, dass wir ohne Wachstum nicht existieren können? Hatte noch nie jemand was davon gehört, das Wachstum auch an seine Grenzen stoßen kann? Ist denn noch niemand auf die Idee gekommen, dass gerade diese Ideologie des ständigen Wachstums uns in die Katastrophe geführt hat, die wir im Augenblick erleben, dass letzten Endes sie auch ein Ergebnis des zwanghaften Strebens nach Wachstum ist?
Nicht nur die großen Manager, sondern auch der so genannte "kleine Mann" strebt nach schnellem Gewinn. Und daran sind die Beschlüsse der Bundesregierung auch nicht unschuldig; anstatt eine verlässliche, ausreichende staatliche Rente zu fördern, stellt man dem Einzelnen anheim, sein Alter durch eigene Initiativen abzusichern. Wen wundert es, wenn dann einige versuchen, nach den großen Vorbildern, das schnelle Geld zu machen, und dabei auch vom Virus Gier befallen werden oder von skrupellosen Geschäftemachern über den Tisch gezogen werden. Wenn es dann an der Börse schief geht stehen sie im Alter mit leeren Taschen da und fallen doch wieder dem Staat zur Last.
Sich nicht bescheiden können, sich nicht einrichten auf einen gewissen Standard, das ist unser Problem. Oder wenigstens ein so geringes Wachstum anstreben, dass es noch realistisch bleibt?
Natürlich ist darüber schon längst nachgedacht worden. Das fing damals mit dem Club of Rome an. Aber dessen Ergebnisse wurden dann von anderen Wissenschaftlern wieder infrage gestellt und darum haben die Regierungen es nicht für nötig gehalten die Fragestellungen und Ideen des Club of Rome bei ihren Entscheidungen mit einzubeziehen. Die Politik des Tages war die jeweilige Lösung des täglichen Problems. Die Zukunft, mein Gott ja die Zukunft, das müssen dann andere lösen.

Zum Abschluss möchte ich ein Zitat des Club of Rome anfügen.

Zitat Club of Rome:
Im Internet unter:http://www.nachhaltigkeit.info/artikel bericht_des_club_of_rome_1972_537.htm

(...) Die Hauptverantwortung liegt dabei bei den industriell entwickelten Nationen, nicht weil diese ein besseres Verständnis für die Erfordernisse eines wahrhaft humanen Lebens haben, sondern
weil sie das Wachstumssyndrom erzeugt haben
und noch immer an der Spitze des Fortschritts stehen, auf dem das Wachstum beruht. Wenn tiefere Einsichten in die Bedingungen und Vorgänge innerhalb des Weltsystems entwickelt werden, so müssen diese Nationen erkennen, dass in einer Welt, die dringend der Stabilität bedarf, ihr hoher Entwicklungsstand nur dann gerechtfertigt ist und toleriert wird, wenn er nicht als Sprungbrett für eine noch raschere Entwicklung, sondern als Ausgangslage für eine gleichmäßigere Verteilung von Wohlstand und Einkommen auf der ganzen Erde benutzt wird.