Freitag, 20. März 2009

Der Amoklauf von Winnenden

Ein 17 jähriger läuft Amok und tötet 15 Menschen. Wir versuchen das mit unserem Vorstand zu begreifen. Unmöglich. Die quälende Frage, warum tut jemand so etwas? Einer Geisel gegenüber behauptet er: " Weil es Spaß macht!"
Auch die Psychologen können die Frage nicht beantworten, oder zumindest sind ihre Antworten nicht befriedigend und da ist es natürlich erlaubt auch für den Laien zu spekulieren. Wo können die Ursachen liegen?
Erstes Problem, der Autor ist 79 Jahre alt. Was versteht er von der heutigen Jugend?
Lassen wir das einmal beiseite. Ich versuche mich in diesen Jugendlichen unserer Tage hinein zu versetzen. Er lebt, wie man das so vermuten darf, in einem gut situierten Elternhaus, der Vater ein Waffenliebhaber, lässt seine Beretta auf dem Nachttisch im Schlafzimmer liegen. Ist im Schützen Club.
Die erste Frage, die immer wieder auftaucht, sitzt er viel am Computer und spielt die berühmten Killerspiele? Ja, das tut er.
Aber, ist es zwingend, dass ihn das in die Verzweiflungstat treibt?
Kann es sein, dass ihn, den siebzehnjährigen, der noch in der Ausbildung ist, das politische Umfeld, die gesamte wirtschaftliche Lage und speziell auch unserer Nation, die nicht gerade rosige Zukunft, der er als Jugendlicher entgegensieht, dass ihn das in die Depression treibt zu einer entsetzlichen Verzweiflungstat?
Ich vermute, dass er viel zu egoistisch war um solche Dinge, die doch relativ weit von seiner privaten Sphäre entfernt sich abspielen, zum Anlass zu nehmen, um auszurasten. Meine Vermutung geht eher dahin, dass jungen Menschen die ganz persönlichen, nahe stehenden, sie direkt betreffenden Situationen und Ereignisse weitaus eher unter die Haut gehen. Sie können sie dazu bringen, sich selbst isoliert in dieser Welt zu sehen. Das Geheimnis wird wohl in ihrem persönlichen Ansprüchen und wünschen und Erwartungen, die sie an ihr Leben haben, liegen.
Motive die oft so einfach sind, die sie aber nicht in der Lage sind zu formulieren, weil ihr Umfeld daran kein Interesse hat oder nicht merkt, dass ein Bedürfnis besteht. Ich denke daran, dass sie oft Probleme haben echte Freundschaften zu schließen, dass sie sich in ihrem Altersgruppenkreis als Außenseiter sehen, der nicht anerkannt wird, der nicht verstanden wird, dem sie sich nicht zu erwehren wissen, der sie verspottet, oder lächerlich macht. Dass sie ein stilles Bedürfnis nach Liebe haben, dass sie bei Mädchen, Frauen nicht ankommen, da sie nicht wissen wie sie sich geben sollen, da sie nicht in der Lage sind die Aufmerksamkeit und das Interesse des weiblichen Geschlechtes auf sich zu lenken und darin ein ganz persönliches Versagen sehen. Sie wissen im tiefsten Innern, dass eine weibliche Partnerschaft ihrem Leben erst einen Sinn gibt, können das nicht formulieren, wagen auch nicht es zu formulieren, weil sie dann in ihrer Umgebung als Versager gesehen werden.
Kurz gesagt, dieser junge Mensch sah sich vermutlich nicht in der Lage in seinem ganz persönlichen Lebensumfeld Tritt zu fassen und kam sich überflüssig vor, nicht gebraucht, nicht verstanden. Er empfand, dass er all die Dinge nicht erreichen kann, die Dreh und Angelpunkt seines Lebens sein müssten. Er sieht keine Möglichkeit das Problem zu lösen. Sein Leben scheint ihm absolut sinnlos. Er will sich umbringen, sich selbst von der Qual befreien, die diese Demütigungen ihm machen.
Er könnte sich im stillen Kämmerlein umbringen. Das aber kann ihn nicht befriedigen. Er will sich umbringen und gleichzeitig ein Zeichen setzen, will der Gesellschaft etwas zu denken geben, ihr zeigen, dass sie schuld daran ist. Der Gedanke daran ist für ihn eine Befriedigung.
Vielleicht aber fehlte der Mut, sich umzubringen. Der Druck ist nicht ausreichend groß genug. Er setzt sich unter Zugzwang. Er wählt unbewusst einen Umweg, in dem er Unschuldige umbringt, eine Tat, aus der er nur den einen Ausweg sieht, sich selbst umzubringen. Da er sowieso aus dem Leben geht, existiert diese Welt danach nicht mehr für ihn und deshalb ist es ohne Bedeutung, wie viele Menschen er mit in den Tod reißt.
Aber das Umfeld in dem er diese Menschen sucht, soll Hinweis darauf sein in welchem Umfeld er die größten Demütigungen erfahren hat. Dieser junge Mann hat von Anfang an gewusst, dass sein Amoklauf mit seinem Tod enden muss. Er hat kein Mitleid gegen sich, warum sollte er Mitleid gegen andere haben. Es ist völlig gleichgültig für ihn, wen er erschießt und wie viele, aber jede einzelne Person soll die Gesellschaft anklagen und die Intensität seines Schmerzes verdeutlichen.
An dieser Stelle kommen dann vielleicht auch die so genannten Killerspiele wieder ins Gespräch. Sie produzieren eine Gefühlslosigkeit, Anteilnahmslosigkeit, Stummpfheit, die durch die vielen am Computer produzierten virtuellen Morde entstehen kann. Natürlich wissen die meisten Jugendlichen das virtuelle Geschehen am Computer und die Wirklichkeit auseinander zu halten, aber bei diesem Amokläufer sind virtuelle Welt und Wirklichkeit miteinander verschmolzen. Vielleicht verdeutlicht das seine Antwort auf die Frage warum er tötet:
"Weil es Spaß macht!"
Vielleicht war das Leben für ihn nur die Fortsetzung eines virtuellen Computerspiels?