Dienstag, 7. Juli 2009

Der Massemensch

Ein ganzes Leben habe ich optimistisch geglaubt, daß es möglich ist, dass die menschliche Rasse sich zum Positiven verändert. Die Erfahrungen eines kurzen Lebens haben mir aber gezeigt, dass es nicht möglich ist.
Es ist durchaus nicht so, dass der Gesellschaft positive und richtunggebende Impulse fehlen. Sei es nun aus Richtung Religion oder Philosophie. Beide Richtungen beispielsweise setzen ihre Ziele meistens viel zu hoch. Sie kommen aber bei der Masse nicht an; die Masse entlarvt sie als Utopie. Sie ist ungeduldig und erwartet kurzfristige, schnelle Lösungen. Sie ist ungeduldig, mit dem Wissen des endlichen Lebens will sie Lösungen, die jetzt realisierbar sind, auch wenn sie damit langfristig bessere Lösung blockiert. Und damit ist sie grundsätzlich leicht verführbar, von denen die ihr lauthals schnelle Lösungen versprechen und sie vielleicht sogar mit Gewalt durchsetzen wollen. Die Masse ist vor Natur aus primitiv. Ich habe diese Behauptung ständig vermieden, weil ich der Meinung bin, sie ist überheblich. Wenngleich sie auch nach jetziger Meinung immer noch überheblich ist, so ist sie aber leider durch Erfahrung bestätigt.
Obwohl der Durchschnitt der Masse nicht dumm ist, so fehlt ihm aber die Fähigkeit eine eigene Meinung zu entwickeln und darauf zu beharren oder ihr zu vertrauen. Auch wenn der Massemensch, wie ich ihn jetzt einmal nennen möchte, eine andere Meinung hat, die aus der Meinung der Masse herausragt, ist er nicht bereit, dafür gerade zu stehen und seine Meinung zu verteidigen. Im Gegenteil, wenn er merkt, dass die ihn umgebende Mehrheit eine andere Meinung hat, so kann er dem Druck der anderen Meinung nicht standhalten und übernimmt sie fast unbewußt. Er verdrängt dabei seine eigene Meinung, und geht sogar soweit sich mit der anderen Meinung zu identifizieren. Das Bestreben des Massemenschen ist es, unbedingt unauffällig in der Masse zu existieren. Er empfindet, daß er sich mit dem Herausragen aus der Masse exponiert und sich somit angreifbar macht oder sich einer, wie auch immer gearteten, Gefahr aussetzt. Der Massemensch ist also auf keinen Fall risikobereit. Seine Lebensmaxime ist es, unauffällig im Strom der Masse jede Chance zu nutzen, sich in der Masse nach vorn zu arbeiten. Er tut es sozusagen in geduckter Haltung und achtet darauf, dass möglichst niemand sein Streben nach vorn bemerkt.
Andererseits aber erliegt er sehr schnell der Überzeugungskraft von Menschen, von denen er grundsätzlich annimmt das sie ihm überlegen sind. Wenn er dann um sich herum beobachtet, dass auch die Mehrheit einen solchen Menschen akzeptiert, gerät er in eine Situation der Resonanz. In diesem Fall kommt es zu einer eigentümlichen Erscheinung; dieser Mensch, der ständig versucht hat unauffällig im Strom der Masse mit zu schwimmen, fühlt sich jetzt so sehr bestätigt, dass er sich aus seiner geduckten Situation herauswagt und den ständig unterdrückten und kontrollierten Gefühlen freien Lauf lässt. Hier erklärt sich auch die erstaunliche, Impulsartig ausbrechende Gewaltbereitschaft und Brutalität von Menschen, die bis dahin unauffällig in der Masse verharrten.
Grundsätzlich aber hat er sich nicht geändert. Da er handelt wie die ihn umgebende Masse, ist er auch nicht aggressiv und brutal, weil es seine Art ist, sondern weil die Masse gleich ihm handelt, und er nicht auffallen will. Sein natürliches Rechtsempfinden wird durch die Handlungen der Mehrheit unterdrückt. Er ist nicht grausam und brutal von Natur aus, sondern, weil er sich anpasst und nicht auffallen will. In seinem Verhalten ist er eine Weide in Wind.
Wäre die Masse um ihn herum Lammfromm, er wäre es auch mit großer Überzeugung. Es ist seine Art das Leben zu meistern, wenn man die Geschichte verfolgt, sehr erfolgreich.